#18 Ein Hoch auf Herzblutväter

Mein Bruder ist vor vier Wochen Vater geworden.

Das an sich eine Herzblutgeschichte.

Und ich bin somit „neugeborene“ Tante! 

Die neue Familie wohnt in Zürich und da ich momentan in Heidelberg wohne, musste ich mich etwas gedulden, bis ich meinen Neffen das erste Mal in echt sehen konnte. Vor einer Woche, kurz vor Weihnachten, war es dann soweit.

Ich machte mich auf, auf einen Besuch ins neue Nest. Das kleine Würmchen ist natürlich aus den Augen einer stolzen Tante, das süßeste Neugeborene überhaupt!

Eine ganze Weile lag er auch friedlich in meinen Armen und ich konnte seinem Atem lauschen, über seine lustigen Mimiken schmunzeln, über sein zartes Gesicht streicheln, seine perfekt geformten Füßchen und Händchen bestauen, was alles total berührend war.

Mitten ins Herz traf mich aber der Moment, als er später, frisch gestillt und gewickelt, zu schreien anfing und einige Minuten nicht zu beruhigen war. Ganz normal für ein kleines Baby, aber auch echt laut!

Mein Bruder nahm ihn mit einer Seelenruhe zu sich und klang stimmlich mit ein, in seinem Rhythmus:

„Jaaa... Lass es raus... Jaaaa... Wir sind für dich da... Du darfst es rauslassen... Jaaaa... Wir sind einfach da...“.

Da dachte ich: Wie schön, so ein kleines Wesen, das sich erwünscht fühlen darf auf dieser Welt (auch schreiend) und ernst genommen wird in seinen Bedürfnissen und Befindlichkeiten.

Als Psychotherapeutin höre ich oft Geschichten von Menschen, die aus ihrer Vergangenheit erzählen, in denen sie nicht „sein“ durften und gelernt haben sich „zusammenzureißen“, anzupassen, nicht zu stören, es richtig machen, es allen recht machen usw...

Es geht aber auch anders! Und bestimmt gibt es gerade in diesem Moment ganz viele Kleinkinder und auch ältere Menschen, die zu spüren bekommen:

Ich darf genau so sein, wie ich bin.

Ich bin in Ordnung.

Und es ist immer jemand für mich da!

Wie schön! Diese kleinen Momente des Lebens, manchmal unscheinbar wirkend, die sich im Körpergedächtnis eines Menschen einprägen können, als Erfahrung, vielleicht noch bevor er/sie sich an überhaupt irgendetwas erinnern wird, und sich auf das ganze Leben auswirken könnten.

Ein Hoch auf alle Menschen dieser Welt, die solche Herzblutmomente möglich machen!

 

P.S.: 

Schon lange möchte ich eine Herzblutgeschichte beisteuern. Weil ich diese Idee so schön finde!

Und wenn ich die bereits geschriebenen Geschichten lese, dann merke ich, wie ich mich freue, dass dieses Projekt wächst und Menschen Berührendes, Freudiges, Aufmunterndes teilen.

Ich finde es aber gar nicht einfach, mich zu entscheiden, denn das Leben ist voller Herzblutgeschichten. Diese kleinen Momente, in denen das Herz nicht aus Gewohnheit, sondern aus Freude schlägt, sind doch ständig verfügbar, wenn man den Fokus darauf richtet. Dennoch pflücke ich folgenden Moment und merke beim mich dran Erinnern, wie mein Herz warm wird und zu tanzen beginnt.

 

 

Mélanie (34), herzblut-Sammlerin aus Heidelberg

herzblut floss ganz in echt, als Schwester, als Tante. In Zürich, Weihnachten 2018, als alles in Ordnung war.

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Kommentare: 2
  • #1

    Madeleine (Mittwoch, 02 Januar 2019 22:14)

    Wunderbar, liebe Herzblut-Insulanerin �

  • #2

    Thomas (Montag, 07 Januar 2019 13:26)

    Mélanie, eine wunderbare Geschichte.
    Auch ich bin ja stolzer Bruder und Onkel und so, so nah an diesem herzblut-Gefühl.
    Toll zudem, euch herzblut-Sammlerinnen jetzt komplett hier zu haben.

    merci beaucoup!